Wohnen mit Versorgungssicherheit

Inklusion für alle Generationen

 

Antrag an den Rat vom 23.4.2012

Sehr geehrte Herr Bürgermeister,

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen bittet folgenden Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung  zu setzen.

Der Rat möge beschließen:

die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, ob das Wohnen mit Versorgungssicherheit im Alter ohne Betreuungspauschale (Bielefelder Modell) in Würselen Anwendung findet kann Es ist zu prüfen inwieweit in den einzelnen Stadtteilen (Quartieren) eine Umsetzung erfolgen kann und soll.

Begründung:

Da die Anzahl betagter Menschen weiter zunimmt, gibt es auch eine verstärkte Nachfrage nach Angeboten altersgerechter Wohnungen.

Viele Menschen möchten auch bei Hilfsbedürftigkeit in der eigenen Wohnung bleiben und bei Bedarf Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen können

 

Um diesem Wunsch gerecht zu werden, hat die BGW (Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft) gemeinsam mit einem freien Träger und unter Mitwirkung der Stadt Bielefeld ein richtungsweisendes Konzept entwickelt.

 

„Bielefelder Modell“: Wohnen mit Versorgungssicherheit

 

Vorstellung des Modells

 

Das Konzept „Selbstbestimmtes Wohnen mit Versorgungssicherheit ohne Betreuungs- pauschale“, das sog. „Bielefelder Modell“, wurde Mitte der 90er Jahre in Bielefeld entwickelt und wird mittlerweile in mehreren Kommunen in Deutschland umgesetzt. Beim „Bielefelder Modell“ wird eine breite Mischung unterschiedlicher Lebenslagen in einem Wohnprojekt bzw. in einer Wohnanlage angestrebt. Alte und junge Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung, Kranke und Gesunde sollen möglichst zwanglos und barrierefrei zusammen leben können. Die Projekte des „Bielefelder Modells“ können sowohl als Wohngemeinschaft, als Hausgemeinschaft oder als Nachbarschaftsgemeinschaft organisiert sein. Gemeinsam ist allen Projekttypen, dass eine gewisse Anzahl schwer pflegebedürftiger Menschen in räumlicher Nähe zueinander wohnt. Unter dieser Voraussetzung ist es möglich, dass ein Pflegeteam eines ambulanten Dienstes rund um die Uhr in der Wohnung oder in der Wohnanlage anwesend ist. Zentrales Element des „Bielefelder Modells“ ist die Verfügbarkeit der Betreuungsleistungen für das unmittelbare Wohnquartier. Durch die ständige Anwesen- heit von Pflegepersonal in fußläufiger Entfernung wird es möglich, auch für Menschen aus den umliegenden Häusern, schnell und unkompliziert Hilfe- und Pflegeleistungen zu organisieren oder sie an gemeinschaftlichen Aktivitäten teilnehmen zu lassen. Es handelt sich um einen gemeindeorientierten Ansatz und nicht um ein Projekt nur für ältere oder pflegebedürftige Menschen. Der Unterstützungsbedarf kann aufgrund des Alters, der Pflegebedürftigkeit, einer Behinderung oder einer körperlichen oder psychischen Erkrankung entstehen. Da ein Team aus Pflegepersonal, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie Ehrenamtlichen vor Ort zur Verfügung steht, kann auch auf die unterschiedlichen Hilfebedarfe eingegangen werden. Die Versorgungssicherheit kann beim „Bielefelder Modell“ ohne die sonst übliche Betreuungspauschale garantiert werden. Finanziert wird die ständige Anwesenheit des Personals des ambulanten Dienstes aus der Summe individuell abgerechneter Pflege- und Hilfsdienste.

Das darüber hinausgehende finanzielle Risiko sowie die erheblichen investiven Kosten (Wohnungsanpassungen, Räume für Bewohnertreff etc.) trägt das Wohnungsunternehmen sowie der in Abstimmung zwischen Wohnungsunternehmen und Sozialreferat (Public Private Partnership) ausgewählte Träger des Bewohnertreffs, in dem der o. g. ambulante Dienst integriert ist.

Ein wesentliches Element des „Bielefelder Modells“ ist der generationenübergreifende Bewohner- oder Nachbarschaftstreff. Der Bewohnertreff bietet die Möglichkeit zum Kennenlernen der Nachbarinnen und Nachbarn, Unterstützung bei Fragen und Problemen, Freizeitangebote, Mittagstisch etc. Die Aktivitäten und Angebote des Bewohnertreffs beschränken sich nicht auf das Wohnprojekt oder die Wohnanlage, der Treff ist offen für Bewohnerinnen und Bewohner aller Generationen im Quartier. Diese Öffnung begünstigt die Akquise von Ehrenamtlichen und ermöglicht Austausch und Unterstützung zwischen Jung und Alt, Menschen mit unterschiedlichem kulturellem und religiösem Hintergrund und für Menschen mit und ohne Behinderung oder Pflegebedürftigkeit.

Aus den langjährigen Erfahrungen in der Stadt Bielefeld haben sich folgende Grundsätze bewährt:

·       Dauerhaftes sicheres Wohnen für alle Menschen im Wohnquartier durch eine 24-

stündige Anwesenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Pflege-

dienstes im Wohnquartier

 

·       Abstimmung der Belegung/Vermietung von sechs bis acht Wohnungen für Men-

 

schen mit hohem Hilfebedarf im Zentrum des Quartiers

 

·       Einrichtung von ein bis zwei Gästewohnungen für Menschen, die kurzfristig aufge-

 

nommen werden, nach Krankenhausaufenthalt oder zur Entlastung der pflegenden

Angehörigen

 

·       Hilfe für alle Menschen im Wohnquartier durch ein umfangreiches Pflege-, Hilfs-

 

und Dienstleistungsangebot

 

·       Verzicht auf eine Grund- oder Betreuungspauschale

 

 

·       Einrichtung eines Bewohnertreffs mit Wohnküche und Servicebüro

 

 

·       Aktivierung der Nachbarinnen und Nachbarn und Gründung von Senioren-Exper-

 

ten-Teams, Generationen-Treff und Freiwilligenagenturen, um die ehrenamtliche Unterstützung der pflege- und hilfebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner zu fördern

 

·       Förderung und Anleitung der Unterstützung durch Familie, Freunde und Nachbarn

 

 

·       Abstimmung der Angebote und Veranstaltungen im Wohnquartier mit anderen Ein-

 

 

richtungen (z. B. Alten- und Servicezentren, VHS, Kirchen)

In Bielefeld werden die Wohnprojekte nach dem „Bielefelder Modell“ vor allem von der Bielefelder Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH (BGW) in derzeit neun Wohnanlagen umgesetzt. Bis zum Jahr 2012 will die BGW in allen Bielefelder Stadtteilen mit diesem Angebot vertreten sein.

Soweit eine Anspruchsberechtigung auf eine geförderte Wohnung besteht, räumt die BGW dem jeweiligen Kooperationspartner (ambulanter Pflegedienst) ein Vorschlags- recht für die Belegung der Wohnungen für Menschen mit Hilfebedarf ein.

Der ambulante Pflegedienst wird von der BGW ausgewählt. Mit dem Kooperationspartner werden Vereinbarungen hinsichtlich des Leistungsangebotes für das Wohnprojekt abgeschlossen. Bei Nichteinhaltung erfolgt eine Kündigung der Zusammenarbeit. In Bielefeld wird die Arbeit der ambulanten Pflegedienste dadurch erleichtert, dass mit allen in Frage kommenden Kostenträgern Vereinbarungen abgeschlossen wurden und nicht in jedem Einzelfall neu verhandelt werden muss.

 

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